Besuch in Synagoge

Synagoge in Dortmund (Foto: Lucas Kaufmann, Wikimedia, CC BY-SA 4.0)

 

Die diesjährige Informationsfahrt des Bezirksverbandes Soest der Evangelischen Frauenhilfe am 23. Juni 2015 führte uns nach Dortmund. Geplant waren der Besuch einer Synagoge und ein Kaffeetrinken am Phönixsee. Mit einem Abendessen im Dorfkrug von Brockhausen in der Soester Börde endete der inhaltsreiche Tag.

In der Synagoge informierte uns ein junger Jude über die Symbole des Gotteshauses und den Ablauf eines jüdischen Gottesdienstes. Er gab auch Einblick in die Geschichte der Juden in Dortmund in den letzten hundert Jahren. Nachdem alle Synagogen Groß-Dortmunds in der NS-Zeit zerstört wurden, übereignete die Stadt der jüdischen Kultusgemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg ein Grundstück an der Prinz-Friedrich-Karl-Straße, auf dem ein Neubau errichtet wurde. In den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts musste ein Umbau vollzogen werden, weil durch Zuzug vieler Juden aus der ehemaligen Sowjetunion die Gemeinde von ungefähr 200 Mitglieder auf 3.700 anwuchs. Hinter dem Verwaltungsgebäude ist nun ein großer Festsaal entstanden, der mehr als 500 Menschen Platz bietet. Dieser Saal kann an hohen jüdischen Feiertagen als Synagoge umfunktioniert werden. Unsere Gruppe wurde allerdings nur in die kleine Synagoge geführt, die 1956 als erste Synagoge Westfalens der Nachkriegszeit eingeweiht wurde.

Sie ist die einzige im Großraum Dortmund geblieben. Im Ablauf ihrer Gottesdienste ist sie der konservativen Richtung des Judentums zuzuordnen. Die Liturgie vollzieht sich in hebräischer Sprache. Die vorhandenen Gebetbücher sind zweisprachig. Männer und Frauen sind während des Gottesdienstes getrennt. Die Frauen müssen auf der Empore Platz nehmen.

Das Gemeindeleben hat allerdings eher einen modernen Charakter. Es gibt viele Interessengruppen. Zu erwähnen sind: ein Frauenverein, ein Seniorentreff, ein Sportclub, eine eigene Religionsschule und eine Kindertagesstätte. Unser Referent stammt aus einer jüdischen Familie, die in den neunziger Jahren wie viele andere nach Deutschland gekommen ist. Er hat jüdische Theologie studiert, ohne Rabbiner zu werden. Z.Zt. ist er von der jüdischen Gemeinde beauftragt, Gruppenführungen zu veranstalten. Es gibt ein starkes Interesse in unserer Region, sich über das Judentum kundig zu machen. Er erlebt viele Schulklassen, die sich über das Judentum informieren sollen. Im Mittelpunkt jüdischen Glaubens und Lebens steht die Tora, die abschnittweise im Gottesdienst vorgelesen wird. Wir kennen sie als die „Fünf Bücher Mose". Im erweiterten Sinne sind aber auch die Geschichtsbücher und die Propheten der Hebräischen Bibel (unserem Alten Testament) mit der Tora gemeint. Es wurden uns einige Torarollen gezeigt, die hinter einem Vorhang, der an die alte Bundeslade erinnert, verborgen sind. Sie stammen aus den alten Synagogen Dortmunds und sind durch Zerstörung zum Teil nicht mehr leserlich.

Alle Rollen sind handschriftlich verfasst. Die Erläuterungen zu dem siebenarmigen Leuchter sowie einem neunarmigen Kerzenständer zeigen die Symbolkraft jüdischer Tradition. Uns wurde deutlich, dass unsere Wurzeln im Judentum liegen. Nach dem schrecklichen Geschehen der Vernichtung der Juden in den Konzentrationslagern können wir nur mit Scham an unsere Vergangenheit denken und heute mit Respekt auf jüdische Glaubens- und Lebensformen blicken.

Erstellt am 18.08.2015